Barbara A. von Braun-Lacoste, Das Windhaus

"Angekommen am Anhalter Bahnhof, von dem ich, als ich klein war, immer geglaubt hatte, daß er so hieße, weil die Züge dort anhalten, war ich das einzige Kind, das ohne Begleitung erschien, und stand da, im Trubel des allgemeinen Abschiednehmens wie ein Statist, der sich in der Vorstellung geirrt hat".

So beginnt für die neunjährige Agnetha die "Kinderlandverschickung", damit endet eine wohlbehütete Kindheit in Berlin. Sie faßt nie Fuß im Lagerleben, lebt in Angst um ihre Mutter und ihren Vater und kommt, lebensbedrohlich erkrankt, ins Spital. Dort trifft sie auf Lionel, einen französischen Kriegsgefangenen. Die beiden Außenseiter stützen sich gegenseitig, fliehen in den Wirren gegen Ende des Krieges über Italien nach Frankreich und ziehen in das verwaiste Elternhaus von Lionel, der am Rande des Zentralsmassivs aufgewachsen ist. Bevor aus der Seelenfreundschaft eine Liebe werden darf, müssen sie sich trennen. Agnetha kehrt in das völlig zerbombte Berlin zurück, ohne Vater, ohne Mutter.

Mit bewunderswerter Klarheit schildert Barbara A. von Braun-Lacoste ihre Kindheit und Jugend in den "Schrecken der Zeit, in welcher der Mensch dem Menschen zum Wild" wurde. Dennoch oder gerade aus diesem Grunde macht sie die Erfahrung, die diesem Buch seinen warmen, menschenfreundlichen Ton gibt: "Denn es gibt nichts zu Herzen gehenderes, als daß der Mensch dem Menschen ein Trost sein kann."

Barbara A. von Braun-Lacoste
Das Windhaus, Roman
Cornelia Goethe Literaturverlag
340 S., € 17,40
ISBN: 3-86548-200-7

 

Foto: Willkommen beim Deutschen Literaturfernsehen, Autorin Ilse Pohl spricht.
Grafik: August von Goethe Verlag fördert Deutsches
Zur Online-Einreichung Ihres Gedichts für die Frankfurter Bibliothek 2011